Carl Friedrich May

* 25. Februar 1842
Ernstthal

† 30. März 1912
Radebeul

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Der Schatz im Silbersee

von Gastfreundin Katharina Maier

(Für die Bildershow einfach auf das Vorschaubild im Text klicken!)


 

Vorwort
(von Klaus_D)

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Am 22. August 2015 besuchten einige der fränkischen Karl May-Freunde einmal mehr die Karl May-Festspiele in Dasing bei Augsburg.

Dieser Bühnenbesuch ist schon eine liebgewonnene Veranstaltung geworden.

Auch diesmal konnten wir unsere Gastfreundin Katharina Maier gewinnen, einen Text zum Besuch zu schreiben.

Aber: Bevor ich beginne zuviele Worte zu schreiben...

...viel Freude beim Lesen. :o)

Der Webmaster dankt:
- K. Maier für den Text,
- G. und R. Steinel sowie A. und U. Wasserburger für die Bilder.
Logo im Vorwort: Alle Rechte Süddeutsche Karl-May-Festspiele Dasing

 


 

Der Schatz im Silbersee stand 2015 bei den Süddeutschen Karl-May-Festspielen auf dem Programm. Nicht gerade eine meiner Lieblingsgeschichten des Maysters, aber die mitreißende Energie der Dasinger Produktionen hat mich in den vergangenen Jahren noch immer begeistert. Und ein Treffen mit den Karl May-Freunden Franken bei der Augsburg-nahen Bühne steht bei mir ohnehin fest im Kalender. Ich wurde nicht enttäuscht: Die Spiele in Dasing waren in ihrem 11. Jahr so bunt und energiegeladen wie gewohnt. Der Dasinger Schatz im Silbersee stimmt nach Fred Rais überraschendem Tod im Frühling des Jahres zuversichtlich, dass die von ihm begründeten Festspiele auch ohne ihn mit Begeisterung, Teamwork und viel Liebe zum May'schen Werk sowie den wundervollen Dasinger Pferden weitergeführt werden.

 

Der Schatz im Silbersee also. Eine schwer zu inszenierende Geschichte für die kleine Dasinger Bühne, auf der sich ein großer See, der sich am Ende über die goldgierigen Bösewichte ergießt, nur schwer darstellen lässt. Doch den Dasingern gelang es noch mehr als gewohnt, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen und die Fantasie der Zuschauer dergestalt anzuregen, dass ein bisschen Wasser und Getöse genügte, um die sich heranwälzenden Fluten geradezu zu fühlen. Das hat fast etwas Elisabethanisches, wie in Dasing mit der begrenzten Szenerie gearbeitet wird; genauso wie auf der kargen Bühne Shakespeares müssen hier eindrucksvolle Worte und geschickt gesetztes Bühnenbild genügen - und die Fantasie der Zuschauer, die durch gute Effekte unterstützt wird.

 

Die Dasinger Spiele sind außerdem eine Ensemble-Leistung. Sie leben genauso von der großen Leidenschaft der Statisten und dem Einsatz der Nebendarsteller wie von den überlebensgroßen Figuren von Winnetou, Old Shatterhand und Peter Görlachs Indianerhäuptling, der stets weder wirklich gut noch wirklich böse ist und am Ende seinen Weg zum Frieden findet. Der Schatz im Silbersee jedoch wurde ganz eindeutig von einer Gestalt und einem Schauspieler dominiert: Matthias M. als Winnetou.

 

Nun hat der Sänger und Schauspieler, der zum zweiten Mal auch als Co-Regisseur wirkte, noch nie eine schlechte Figur als der Edelste der Apatschen gemacht. Aber was er im Schatz im Silbersee an Präsenz, Ausdruck und Akrobatik ins Theaterrund brachte, übertraf alles, was ich bisher von ihm gesehen habe. Matthias M. stellt Winnetou mit großer Würde dar und bringt gleichzeitig ein inneres Ringen zum Ausdruck, das bei May nur angedeutet wird, aber der Figur des Apatschenhäuptlings gut zu Gesicht steht. Dieser Winnetou muss nur in die ‚Arena' einreiten und erhaben ins Publikum blicken - und er nimmt die Leute für sich ein. Matthias M. spielt Winnetou nicht mehr, er stellt ihn dar. Damit meine ich: Er muss weder sprechen noch agieren, er muss nur stehen oder auf dem Pferd sitzen und seinen Blick in die Runde schweifen lassen, und der Zuschauer weiß: Das ist Winnetou.

 

Sicher gibt es andere Möglichkeiten, das, was Winnetou ausmacht, was das erzählende Ich vom ersten Augenblick an so in Bann schlägt, schauspielerisch zu interpretieren. Ich für meinen Teil habe noch keine bessere gesehen. Matthias M. hat sich die Rolle des Winnetou im wahrsten Sinne des Wortes zu Eigen gemacht. Mit dieser Haltung gelingt es ihm, die teilweise etwas schwülstigen, wenn auch wichtigen Friedensaufrufe und philosophischen Gedanken, die dem Apatschenhäuptling in den Mund gelegt werden, so auszusprechen, dass man sie glaubt. Gleichzeitig kauft man diesem Winnetou ab, dass er mit seiner alleinigen Präsenz einen Kampf beenden, Menschen zum Umdenken bewegen kann. Hinzu kommt Matthias M.s großartige Akrobatik und Kampfkunst. Winnetou einen Gegner zu Boden reißen zu sehen, indem er wie Marvels formidable Black Widow dessen Nacken mit den Schenkeln umklammert, hat schon etwas. Das gibt es nicht überall. Eine solche Modernisierung May'scher Kampfkraft würde ich gern öfter sehen.

 

Gegen diesen überragenden Winnetou wirkte Helmut Urbans Old Shatterhand dieses Jahr etwas blass. Der Vergleich ist wahrscheinlich nicht ganz fair, weil Matthias M. eine ganz andere und längere Geschichte mit seiner Rolle hat und die Rolle Old Shatterhands im Silbersee schon von der Geschichte her relativ unspektakulär ist. Dem half auch die Dasinger Inszenierung nicht ab. Teilweise hatte man den Eindruck, dass man schon sehr in die Trickkiste greifen musste, um diesem Old Shatterhand etwas zu tun zu geben - und selbst dann nicht übermäßig erfolgreich war. Dies führte dazu, dass ausgerechnet unser großer Charley zeitweise ein wenig wirkte wie ein Statist. Das kann durchaus einmal passieren und ist sicher nicht Urban anzukreiden. Aber es ist sehr zu hoffen, dass sich dieses Ungleichgewicht der beiden großen Blutsbrüder 2016 in Winnetou II nicht wiederholen wird. Zu einer Münze gehören schließlich zwei Seiten und nicht nur eine.

 

Dennoch spielte sich der eindringlichste Moment der kurzweiligen, gut gelungen Inszenierung zwischen den beiden Blutsbrüdern ab. Es handelte sich um eine überraschende Wendung, die vielen Zuschauern, inklusive mir, den Mund offen stehen ließ: In einem wie üblich exzellent inszenierten Kampf wird Winnetou von einer Gewehrkugel getroffen. Old Shatterhand merkt zunächst nichts davon. Der Zuschauer denkt sich: "O je. Aber sterben kann er ja nicht. Ist ja nicht Winnetou III." Old Shatterhand dreht sich endlich um. Winnetou bricht in seine Armen zusammen. "Was ist los?", denkt sich der Zuschauer, und Winnetou stirbt in den Armen seines Blutsbruders, der seine Trauer hinausschreit.

 

Eine exzellent gespielte und inszenierte Szene, die etwas schafft, was bei Karl-May-Stücken schwer ist: Den (May versierten) Zuschauer zu überraschen und mitten ins Herz zu treffen. Möglich war dies durch eine bewusste Abweichung vom Kanon, einem brillanten Spiel mit der absoluten Sicherheit des Zuschauers, im Silbersee keinen Helden sterben sehen zu müssen - schon gar nicht Winnetou. Nur das Unerwartete kann so eine brutale emotionale Wirkung haben. Exzellent gemacht.

 

Nur leider kann man die Gesetze des Kanons - gemeint ist die etablierte, vom Autor erschaffene Geschichte - meist nur biegen und nicht brechen. Winnetou kann natürlich nicht wirklich im Silbersee sein Leben aushauchen, egal, wie gut die Sterbeszene inszeniert wird. Die Dasinger um Peter Görlach lösten dieses Dilemma mit einem "Abstieg in die Totenwelt", inklusive Wiedergeburt des Helden: Winnetou dringt in die Totenwelt ein, will sogar endgültig hinübergehen, wird aber von der weisen Eulenfrau - eine alte Indianerin, die an Marah Durimeh erinnerte und gut in eine May'sche Welt passte - ins Leben zurückgeschickt, indem sie ihr Leben für das seine gibt.

 

Nun ist ein solcher Abstieg in die Totenwelt ein klassisches Mittel, eine Heldengeschichte zu erzählen. Doch mit Winnetous Reise in ein Leben nach dem Tod drang der Dasinger Silbersee in jenseitige Gefilde ein, an deren Grenzen sich die mystizistisch angehauchten Inszenierungen Peter Görlachs schon seit Jahren bewegen. Das ging vielleicht manchem Zuschauer doch ein wenig zu weit. Auch Mays großes Ich unternimmt Reisen in metaphorische Totenreiche und durchleidet mehr als eine Nah-Tod-Erfahrung; die letzte Grenze überschreitet er jedoch nie. Ob man dies also in einer Karl-May-Inszenierung tun sollte, ist etwas, worüber man diskutieren kann. Aber ein Bühnenstück kann schlechtere Konsequenzen haben als eine Diskussion über solche Fragestellungen.

 

Alles in allem war der Dasinger Schatz im Silbersee unterhaltsam, stellenweise sogar mitreißend, regte zum Nachdenken an und war voller Lacher und kleiner, schöner Momente. Besonders hervorgehoben werden soll an dieser Stelle noch Peter Winklmeier als bayerische Tante Droll im Spitzenhäubchen, der seine hünenhafte Gestalt in ein Gouvernantenkleid zwängte und herrlich trampelhaft durch das Theaterrund stapfte. Es freut mich immer, wenn Mays skurrilere und im Grunde eigentlich ziemlich gewagte Gestalten nicht ignoriert werden, und Winklmeiers Tante Droll war eine Freude anzusehen. Mehr davon! Und mehr von Matthias M.s Winnetou. Und bitteschön ein bisschen mehr Old Shatterhand.

 

Katharina Maier

 


 

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