Carl Friedrich May

* 25. Februar 1842
Ernstthal

† 30. März 1912
Radebeul

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Winnetou II

(Für die Bildershow einfach auf das Vorschaubild im Text klicken!)


 

Sagt Ihnen der Name Hatschi Ling etwas? Nein? Oder Senora Gonzilla? Nicht? Senorita Tequilla? Auch nicht?

 

Aber vielleicht sagen Ihnen die Namen Ribanna, Old Firehand, Winnetou oder Old Shatterhand mehr?

 

Dann ahnen Sie wahrscheinlich bereits: Ich schreibe hier über eine Aufführung einer Bühne, nämlich DER - also unserer - Bühne in Bayern: Den "Süddeutschen Karl May-Festspielen" in Dasing.

 

Es ergab sich, sozusagen von einem Tag auf den Anderen, die Aufführung von "Winnetou II" besuchen zu können. Das taten wir dann kurz entschlossen nicht nur ein-, sondern sogar zweimal! Warum? Weil wir kurzfristig einen Besucher bekamen, der aus dem fernen Stuttgart anreiste: Werner Geilsdörfer, dem wir gerne "unsere" bayerische Western-City mit Bühne zeigten.

 

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe nicht bereut, die doch recht kurzfristigen Angebote von Gabi und ihrem Mann Ralf angenommen zu haben!

 

Zuerst aber ein kleiner Abriss der dargebotenen Geschichte.

 

Autor Peter Görlach hat die Geschichte in dieser Saison in das mexikanische Grenzgebiet gelegt. Im Bühnenhalbrund sehen wir Hazienda, eine Cantina und Kakteen: Kurz, die Prärie.

 

Das Drehbuch sieht unter dem Titel "Winnetou II" eine Bühnenadaption der Geschichte um Old Firehand vor. Hier begegnet Winnetou (Matthias M.) auch seiner großen Liebe Ribanna (Marina Hohnke).

 

Karl May beschreibt Ribanna in seinem Werk "Winnetou II" folgendermaßen:

 

"Sie war schön, wie die Morgenröte, und lieblich wie die Rose des Gebirges. Keine unter den Töchtern des Stammes vermochte die Häute so zart zu gerben und das Jagdkleid so sauber zu nähen, wie sie, und wenn sie ging, um Holz zu holen für das Feuer ihres Kessels, so schritt ihre schlanke Gestalt wie die einer Königin über die Ebene und von ihrem Haupte floß das Haar in langen Strähnen fast bis zur Erde herab. Sie war der Liebling Manitous, des großen Geistes, war der Stolz des Stammes, und die jungen Krieger brannten vor Begierde, sich die Skalps der Feinde zu holen, um sie ihr zu Füßen legen zu dürfen.

 

Aber keiner von ihnen fand Gnade vor ihren Augen, denn sie liebte den weißen Jäger, obgleich derselbe viel älter war als alle, die sich um sie bewarben. Von ihnen war Winnetou der jüngste, fast noch ein Knabe."

[aus: Karl Mays Werke: Winnetou II. Karl Mays Werke, S. 51735 (vgl. KMW-IV.13, S. 432). Entnommen der "Digitalen Bibliothek"]

 

In Dasing jedoch trifft Winnetou seine große Liebe nicht als Quasi-Knabe, sondern bereits als Häuptling der Apachen. Dabei muss er aufgrund der Erzählungen rund um den weißen Jäger Old Firehand (Peter Bechtel) davon ausgehen, dass dieser, bei einem Überfall lebensgefährlich verwundet, zwei Jahre zuvor gestorben ist. Old Firehand war der Mann Ribannas.

 

Neben Winnetou gibt es noch einen weiteren Interessenten an Ribanna: Parranoh, den sog. "weißen Häuptling" (Peter Görlach himself), welcher sich eigenmächtig an die Spitze der Komantschen gestellt hat.

 

Zunächst beginnt die Rahmenhandlung mit dem Ku Klux Klan, der in Texas die Bewohner in Angst und Schrecken versetzt. Stets taucht, kurz nachdem der Klan verschwindet, auf einmal wie aus dem Nichts der skrupellose Ölbaron Emery Forster (Waldemar Wichlinski) auf, um seinen Reichtum durch noch mehr Ölfelder zu mehren.

 

So versucht er mit allen Mitteln, heiliges Land der Indianer in seinen Besitz zu bekommen, weil er weiß, dass es dort ein unermeßliches Ölvorkommen gibt.

 

Dies ist die Ausgangslage, in die Winnetou mit seinem weißen Bruder Old Shatterhand (Helmut Urban) gerät, denn natürlich soll das drohende Massaker an der Bevölkerung und den Indianern verhindert werden.

 

Im Verlaufe der Aufführung wird immer augenscheinlicher, dass offenbar Parranoh, der Ölbaron sowie der Ku Klux Klan in irgendeiner Verbindung stehen.

 

Wie weiter oben bereits bemerkt, wirbt auch Parranoh um Ribanna. Sie jedoch weist Parranoh ab, woraufhin dieser Rache schwört und Ribanna tötet.

 

Wir erleben in dieser äußerst aktionsreichen, spannenden Vorstellung auch einen Winnetou, welcher gegen seine heftigen Rachegefühle ankämpfen muss.

 

Diese kurze Übersicht muss nun genügen, denn wer mehr sehen möchte (und ich würde mir wünschen, dass noch viele Besucher Dasing aufsuchen!), bekommt sicher auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit geboten, eine DVD der Aufführung zu erwerben (direkt vor Ort wurde sie bereits gesichtet), oder aber hier: Online-Shop Western-City

 

Warum ich nun eingangs nach den drei Namen fragte? Weil diese Namen ebenfalls in dem Stück vorkommen. Der Drehbuchautor hat natürlich das Problem, eine manchmal ausführliche May-Story für ein breites Publikum interessant machen zu müssen. Teile dieses Publikums kennen wahrscheinlich zudem nicht einmal die Werke Karl Mays, erhoffen sich jedoch sicher einen kurzweiligen Tag.

 

Dies bedeutet, dass Figuren eingeführt werden, welche für ein wenig Komik in dem Stück sorgen müssen, die vielleicht sogar eine kleine Nebenhandlung etablieren, die allerdings nicht aus Karl Mays Werken stammen, auch wenn May selbst natürlich ebenfalls komische Figuren in seinen Büchern auftreten ließ. So eine neu geschaffene Figur wird z.B. durch Senora Gonzilla (resolut und perfekt: Gisela Böhnisch) mit ihrer Truppe "Frauenbewegung Zucht und Ordnung" eingeführt, welche sogar einem gestandenen Westmann wie Sam Hawkens (Michael Englert) die Leviten liest…

 

Eine weitere Figur mit einem lustigen Nebeneffekt ist der chinesische Koch Hatschi Ling (Björn Trenner). Er versorgt uns stets mit mehr oder weniger stilreinen Zitaten des Konfuzius. So lehrt er z.B. Sam "wenn ich mich nicht irre, hihihi" Hawkens, dass man bei Bauchweh, verursacht durch 9 Teller Bohnen, doch besser dorthin gehen sollte, wohin selbst der Kaiser zu Fuß geht ("Konfuzius sagt,…!"). Bei den Kämpfen mischt er aber auch auf seine eigenwillige Art gerne mit.

 

Nicht vergessen darf ich die Rolle der kleinen Sarah (sich die Rolle teilend: Hanna Heinevetter und Giulia Petermeier), denn diese Figur spielt in diesem Stück eine ganz besondere, sogar wichtige Rolle.

 

Sarah ist ein Waisenkind, welches bei Old Firehands Tochter aus erster Ehe, Annie Forster (Swetlana Gerkhardt), lebt. Annie gehört die Ölstation New Venango, an welcher der "Ölbaron" (natürlich) starkes Interesse hat.

 

Die junge Sarah muss sich im Wilden Westen behaupten und gewinnt als ganz besonderen Freund - Winnetou, für den Sarah "selbst für den edlen Apachenhäuptling zu einer wichtigen Gefährtin" wird (Text Programmheft 2016).

 

Winnetou erklärt Sarah: "Nur wer seinem Feind die Hand reicht, macht ihn kampfunfähig!". Als Winnetou später voller Zorn Parranoh aufgrund des Mordes an Ribanna töten möchte, konfrontiert sie Winnetou mit seinen eigenen Worten. Erschrocken, aber auch im Herzen tief berührt, lässt daraufhin Winnetou von seiner Rache ab. Dies ist mit eine der stärksten Szenen in diesem Stück.

 

Die Musikauswahl war auch in diesem Jahr wieder vom Feinsten. Die eingesetzten Melodien von Vangelis ("1492 - Conquest of paradise") oder Martin Böttcher (natürlich beim Auftritt von Winnetou und auch Old Shatterhand) sorgen alleine schon für Gänsehaut. Diesmal allerdings setzte man die Melodie "Chevalier de Sangreal" aus dem Film "The Da Vinci Code (von Hans Zimmer)" bei einer wunderbaren Szene mit Ribanna und der kleinen Sarah ein - und dabei schossen dem gefühlsbetonten Zuschauer die Tränen in die Augen… Ich schäme mich nicht, dazu zu stehen!

 

In einem Forum fand ich dazu die folgenden schönen Sätze, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

 

"Da hat Herr Görlach ein Händchen für. Keine Bühne in Deutschland versteht es so Pathos und Emotionen unter die Zuschauer zu bringen. Da kann Elspe und Segeberg sich abschauen, wie es geht."

 

Als musikaffiner Zuschauer lässt man sich von dem Spiel in Verbindung mit einer Melodie in eine gedankliche Welt entführen. Hier wäre es vielleicht noch besser, wenn die Musik nicht wiederkehrend so schlagartig enden oder gar abrupt in eine andere Melodie übergehen würde. Ein sauberes Aus- oder bei Übergängen ein Überblenden wäre der guten Sache sicher noch dienlicher.

 

Zuschauerwirksam zugenommen haben auch die "Knalleffekte". So gibt es nicht nur ein explodierendes und dabei abhebendes Fass, man sieht auch Flammen, die einen Bohrturm hinaufzüngeln mit anschließender Explosion (wobei Winnetou, der sich auf diesem Turm befindet, zuvor rechtzeitig von der Spitze herunterspringt!), hört Gewehre und Pistolen knallen und - als Höhepunkt - sieht man eine Ölbohrplattform im Hintergrund, an welcher der "Ölbaron" brennend emporklettert, um dann mit ihr unterzugehen. Nicht vergessen möchte ich, dass sogar ein Pferd mit brennender Decke durch das Halbrund galoppiert. Alles in allem: Grandiose artistische Stunts und super Effekte!

 

Bei den Dasinger Aufführungen kommt jedoch auch noch ein anderes "Feeling" herüber, nämlich das "Bruder-sein" von Winnetou und Old Shatterhand.

 

Der Tonfall, die Berührungen des Anderen am Arm, das gemeinsame "Mein Bruder!", Winnetous "Scharliiih" (auch mit dieser Betonung!) - kurz: Die Schauspieler brachten durch ihren Umgang miteinander in ihrer Rolle die "Seelenverwandtschaft" Old Shatterhands und Winnetous im Sinne und im Geist Karl Mays schauspielerisch überzeugend zum Ausdruck.

 

Grundsätzlich wurden die Darsteller für ihre Rollen gut ausgesucht. Auch Waldemar Wichlinski geht in der Rolle des Bösen gut auf - anders als Fred Rai, aber er ist eben auch nicht Fred Rai. Seine Gestik, seine Mimik, seine Stimme, sein fieses Lachen - ja, man nimmt ihm seine Rolle wirklich ab.

 

Den Wiedererkennungswert eines Darstellers bemisst man mitunter an der Kleidung. Winnetou ist so ein Fall. Old Shatterhand natürlich auch. Diese beiden Figuren Karl Mays erkennt man fast allein an der Bekleidung, egal, über welche Bühne man spricht.

 

In Dasing gibt es noch jemanden, der alleine durch seine Kleidung bereits einen gewissen Wiedererkennungswert besitzt. Den Rest besorgt die Gestik und die Mimik: Die geballten Fäuste, der grimmige Gesichtsausdruck Richtung Himmel, das breitbeinige Stehen. Ja, ich meine Peter Görlach.

 

Görlach ist nicht nur Drehbuchautor, er führt (gemeinsam mit Matthias M.) Regie, er koordiniert die Stunts und spielt bei der Musikauswahl eine große Rolle. Er, der ursprünglich die Karl May-Festspiele Gföhl (A) gründete und zudem auch für die 1994 gegründeten May-Festspiele Winzendorf (A) als künstlerischer Leiter tätig war und bei beiden sogar den Winnetou verkörperte, ist von Anfang an in Dasing dabei. So begann er 2005 als Choreograph in Dasing. Bereits ein Jahr später spielte er bereits im Ensemble mit und übernahm dann zusätzlich die weiter oben beschriebenen Aufgaben.

 

Ich finde es großartig, dass Görlach, über den gesagt wird, dass er seit seiner Kindheit großer Karl May-Fan ist, in Dasing als "Mr. Karl May" betitelt wird - und auch stets auf unseren Lieblingsschriftsteller hinweist. Er wird in Dasing als Winnetous Gegenpart beschrieben. Diese Rolle verkörpert er voller Elan und voller Freude am Spiel. Klasse!

 

Was diesmal ferner positiv auffiel war, dass der fast schon esoterisch zu nennende Weg der letztjährigen Vorstellung nicht weiter beschritten wurde. Dies tat der gesamten Aufführung sehr gut.

 

A pro pos Winnetou: Kein anderer Winnetou-Darsteller schwingt sich so auf sein Pferd wie Matthias M. Ach, und die Pferde - es ist immer wieder ein Genuss zu sehen, wie sie bereitwillig als Freunde des Menschen mitarbeiten, ohne Zügel, ohne Sporen - ganz wie es der Reitstil des zu früh verstorbenen Fred Rai vorgibt.

 

Wenn dann noch Helmut Urban als Old Shatterhand, so wie von Karl May so oft beschrieben, seinen Freunden zu Hilfe eilt und mit seinem Gewehr in der Hand aus der Hüfte zielt, dann sind das diese kleinen, aber feinen Hinweise auf unseren Lieblingsschriftsteller.

 

Hervorzuheben ist ebenfalls, dass Western City Farbe bekommen hat. Der Dorfplatz sieht wieder frisch und bunt aus.

 

Unser Interesse galt natürlich auch dem neuen Programm im Saloon. Hier gab es für uns ein Wiedersehen mit Fred Rais treuem vierbeinigen Gefährten "Spitzbub". Zu bemerken ist ebenso, dass neben der Vorführung und Erklärungen zum Rai-Reiten auch mehrere Kinder durch Tessa Bauer und Volker Waschk zu einem kleinen Mitmach-Spiel animiert wurden. Gute Idee.

 

Ach, und noch eines: Etwas darf nicht unerwähnt bleiben, nämlich die Freundlichkeit der Mitarbeiter und Helfer. Ob an der Kasse am Eingang, ob im General-Store oder im Saloon… überall trifft man auf freundliche, hilfsbereite Menschen und - sie haben stets ein Lächeln auf den Lippen!

 

Der Abend der ersten Vorstellung klang aus mit einer kleinen Gesangseinlage von Matthias M. als "Matthew Daniels" auf dem Dorfplatz... und das, wo ich ohnehin gerne Countrymusic höre… wow, möchte ich sagen. Und: Leider viel zu kurz! Aber schöööön…

 

Beim herzlichen Abschiednehmen am kleinen Bahnhof Dasing hatten wir den Eindruck, dass unserem Karl May-Freund Werner Geilsdörfer die Western City und die Aufführung von "Winnetou II" ebenfalls sehr gut gefallen hat.

 

Zum Schluss die Ankündigung, dass im kommenden Jahr "Winnetou und die Felsenburg" gegeben werden soll. Wir freuen uns schon.

 

Die Darsteller und ihre Rollen:

 

Winnetou:Matthias M.
Old Shatterhand:Helmut Urban
Old Firehand:Peter Bechtel
Parranoh:Peter Görlach
Ribanna:Marina Hohnke
Annie Forster:Swetlana Gerkhardt
Sam Hawkens:Michael Englert
Sarah:Hannah Heinevetter
Giulia Petermeier
Hatschi Ling:Björn Trenner
Senorita Tequilla:Petra Laschner
Senora Gonzilla:Gisela Böhnisch
Nonton-peteh:Andre Öfinger
Ayana:Jasmin Auner
Emery Forster:Waldemar Wichlinski
Rodriges Gavilano:Volker Waschk
Karessa:Eva Begaß
Dolores:Peggy Power


Buch:Peter Görlach
Regie:Peter Görlach, Matthias M.
Erzähler:Michael Gleißner
uvm.

 

Klaus Düdder

 

Der Webmaster dankt:
- G. und R. Steinel für die Bilder


 


 

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