Carl Friedrich May

* 25. Februar 1842
Ernstthal

† 30. März 1912
Radebeul

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Jonsdorf 2013: Winnetou I

Der Webmaster dankt:
C. Rauch (Text)
K. Ebel (Bilder)
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"Ich bin wirklich Old Shatterhand respektive Kara Ben Nemsi und habe erlebt, was ich erzähle.", war das diesjährige Motto des Gerhard-Hauptmann-Theaters, Görlitz-Zittau...

 

...und so ließ man auf der Waldbühne Jonsdorf den Abenteuerlüstling aus Hohenstein-Ernstthal (seinen eigenen Träumen hinterher) in den Wilden Westen reisen, um dort neben erfahrenen Westmännern und edlen (nebst nicht so edlen) Indianern auch Bekanntschaft mit sehr unerfreulichen Gesellen der Gattung Mensch zu machen, allen voran mit Santer, dem Chef und Oberfiesling der sogenannten Schutztruppe bei der Atlantic&Pacific-Company und seinem Spießgesellen Häuptling Tangua vom Stamme der Kiowas, der für Feuerwasser fast alles tut.

 

Santer lernten wir als erstes kennen, wobei er gar nicht sofort zu erkennen war. Er hatte sich hinter einer Zeitung versteckt, die Füße auf dem Tisch, und qualmte. Der Zigarillo-Dampf zog bis zu unserem Platz in der ersten Reihe, den meine Fotografin und May-Freundin Katrin - samt Fotografier-Erlaubnis - für uns erstritten hatte.

 

Mein Blick schweifte über die wunderschöne Felsenbühne (die in der Regel bis obenhin bespielt wird) und blieb an einem Klohäuschen hängen, das sich etwa in halber Höhe malerisch in die Landschaft einfügte - und mir schwante Übles!!

 

"Ach du Scheiße!" dachte ich leicht angenervt in Erinnerung an die Surehand-Vorstellung in Rathen, und schon flog (nachdem Will Parker quengelnd vor dem Häuschen auf und ab gehüpft war) eine Dynamitladung in das Klo - und danach das Häuschen in die Luft. Seltsamerweise entstieg der "Beste Scout des Westens" - Sam Hawkens - dem Trümmerfeld völlig unversehrt...

 

...und wenn ich so weitermache, dann wird der Bericht noch länger, als ich befürchtet habe. Aber wer weiß, wie lange diesmal Karl-May-Pause in Jonsdorf ist - nächstes Jahr wird es definitiv keinen "Mayster" im Zittauer Gebirge geben.

 

---- jetzt hab ich den Faden verloren *Meineherrn!!*

 

Na gut - wie auch immer: Charly May kommt also im Lager der Bahngesellschaft an. Nach einem Glas Ziegenmilch und einem neuen Outfit wird - nach der obligatorischen Schlägerei - aus dem Greenhorn Charly May ganz schnell die allseits bekannte Schmetterhand, und als er auch noch mit seinem Wundergewehr billardmäßig über Bande einen Ast von einem in seinem Rücken befindlichen Baum schießt, ist selbst Sam überzeugt, dass der ehemalige Hauslehrer ganz gut alleine zurecht kommt.

 

Das beweist er dann auch ganz flugs, indem er einen riesigen Grizzly mit seinem Taschenmesser erlegt, was - wie wir wissen - von allen Seiten angezweifelt wird. Jeder möchte die Lorbeeren gerne einheimsen und das beste Stück des Petzes für sich selbst haben.

 

Sogar das "Zweiblättrige Kleeblatt" zofft sich wie ein älteres Ehepaar um den Anspruch des "Größten Scouts im Wilden Westen". Dass es nur einen Will Parker gibt und keinen Dick Stone, ist nur ein Aspekt der eigenwilligen Jonsdorfer Inszenierung, dafür ist seine Rolle etwas größer ausgelegt als z.B. im Film - aber er muss ja auch für zwei agieren... und - wie mich ein Freund aufmerksam machte - sein Outfit (Fellchaps und kariertes Hemd) glich doch sehr einer bekannten May-Größe aus Radebeul, nämlich Patty Frank.

 

Aber zurück zu dem gemeuchelten Grizzly. Der wurde - an einer Stange hängend - von vier Männern auf die Bühne geschleppt und direkt vor unserer Nase abgelegt. Igitt - war das ein ekliges Vieh! Es war bestimmt zweieinhalb Meter lang und geschätzte 500 Kilo schwer, die Zunge hing ihm aus dem Maul und außerdem die Fetzen des vor seinem Tod gefressenen Bahnarbeiters.

 

Old Shatterhand fand nach diesem appetitlichen Intermezzo heraus, dass Oberingenieur Bancroft und der Ganove Santer (zum Zwecke der Selbstbereicherung) die Bahnlinie quer durch das Land der Apachen bauen wollten, anstatt - wie geplant - die Gleise um das Gebiet herum zu legen.

 

Bevor er jedoch gegen diese Schweinerei etwas unternehmen konnte, bekamen sie Besuch von einer Abordnung der Landbesitzer in Form von zwei Winnetous... häääää??? - nein, das sah nur so aus. Bei näherer Betrachtung gab es schon Unterschiede im Alter. Also es handelte sich um Winnetou, seinen Papa Intschu-tschuna (den ich noch als Winnetou im Schatz im Silbersee gesehen hatte), seine Schwester Nscho-tschi und den weißen Lehrer der Apachen - Klekih-petra.

 

Die Rolle von Klekih-petra war zwar etwas mickrig - sie beschränkte sich im Großen und Ganzen darauf, Winnetou das Leben zu retten und dekorativ auszusehen. Und das tat er/sie (die Darstellerin war eine Frau) - die Maskenbildnerin hatte tolle Arbeit geleistet.

 

Der Nscho-tschi-Charakter hat mir persönlich nicht so gefallen, und was der olle May dazu gemeint hätte, würde mich auch mal interessieren. Sie lässt ihren Charme etwas zu auffällig knistern... und flirtet und baggert an den Herrn Shatterhand hin - der baggert zurück und kriegt wohl gar nicht so richtig mit, was die Indsmen jetzt eigentlich wollen. Aber wen interessiert schon, was um einen rum passiert, wenn man gerade von Amors Pfeil getroffen wurde?

 

Die beiden männlichen Apachen hatten da schon etwas mehr Würde (und haben mir im Übrigen sehr gut gefallen). Winnetou auf dem Weg ein Mann zu werden und Intschu-tschuna auch noch kein alter Tattergreis: Sehr schöööön!

 

Und ganz würdevoll teilten sie den Bleichgesichtern mit, dass sie es keinesfalls dulden würden, wenn das Feuerross durch ihren Garten gebaut wird - und machten der "Alten Schmetterhand" (der jetzt wieder ganz Ohr war) klar, dass sie als die Eindringlinge das Gebiet umgehend zu verlassen hatten. Charly war durchaus zu Verhandlungen bereit, hatte aber die Rechnung ohne Santer gemacht, der nix Besseres zu tun hatte, als Klekih-petra niederzuschießen und die beiden Häuptlinge gefangen zu nehmen...
Nscho-tschi konnte entkommen.

 

Old Shatterhand und seine Mitstreiter Sam und Will konnten dieses Verhalten Santers nicht dulden und Charly schnitt die beiden Apachen heimlich und unerkannt von den Pfählen los, an denen diese gefesselt worden waren.

 

Naja - und was dann kam, wissen wir wohl alle (und die Beteiligten hätten es auch wissen müssen): Die Rothäute kamen mit Verstärkung wieder und beim folgenden Angriff kam es dann zum legendären Zweikampf zwischen den Blutsbrüdern in spe, den Winnetou durch einen Stich in den Hals seines Kontrahenten eindeutig für sich entscheiden konnte.

 

Charly wird auf ein Travois geladen, Sam und Will im Schlepptau hinterhergezogen, und schon war Pause (wo waren eigentlich die ganzen Halunken abgeblieben???).

 

Fünf Tage später (auf der Bühne auf Pausenlänge gekürzt) kam der Zug bei den Pueblos an, welche sich wunderbarerweise (auch während der Pause) aus einem eher tristen Felsen - im wahrsten Sinne des Wortes - "herausgeschält" hatten.

 

Tolles Bühnenbild mit anheimelndem Indianeralltag... mir wurde schon wieder ganz warm ums Herz *seufz*.

 

Nscho-tschi hatte während dieser langen Reise ihren Angebeteten so halbwegs gesundgepflegt, besann sich nun aber doch auf den Stolz der indianischen Frau und gab ihm (außer einem Schluck Wasser) klipp und klar zu verstehen, dass sie schon von ihm erwartet, dass er sich im Angesicht des Martertodes benimmt wie ein Mann und nicht wie eine Memme.

 

Und Sam, der ganz Abgebrühte, fing doch tatsächlich in derselben Situation an, ganz wild mit Kliuna-ai zu schäkern. Meine Herrn, das war ja erst eine... ständig wollte sie "kussen" - erst mit Sam, und als es dem zuviel wurde, stellte sie Will Parker nach.

 

Da war er wieder, der *Augenverdrehhumor*, der mich irgendwannmal von meinem Sitz treibt! *hust*

 

Okay, jetzt muss ich wirklich mal etwas raffen, sonst wird das ja ein halbes Buch.

 

Shatterhand gewinnt den Zweikampf gegen Intschu-tschuna und befreit dadurch sich und seine Gefährten, bringt auch noch den Nachweis seiner Freundschaft (die abgeschnittene Haarlocke)... Winnetou ist menschlich erfreut, beide schnippeln an ihren Handgelenken, vermengen ihr Blut - und schon sind sie Brüder. Winnetous Papa adoptiert Charly auch gleich als seinen Sohn - und schwupps wird die Hochzeit geplant mit seiner neuen Schwester (????) "Schöner Tag".

 

Old Shatterhand ist es völlig wurscht, dass seine künftige Frau eine Rothaut ist, weil darauf kommt es ja nicht an (wie er uns und ihr glaubhaft versichert). Allerdings müsste sie schon mit ihm in die Städte der Weißen ziehen - aber dazu braucht man "Kohle"... und Charlys Schwiegerpapa will es sich nicht nehmen lassen, diese in Form von Nuggets beizusteuern.

 

Wo es um Gold geht, da sind auch Santer und seine Bande nicht weit. Noch bevor Intschu-tschuna mit seinen beiden Kindern am Nugget-tsil eintrifft, liegen die Halunken schon auf der Lauer und meucheln die angehende Braut... und nur die!?!

 

Das ist der Teil der eigenwilligen Inszenierung, den ich nicht verstehe... und ich glaube, der gefällt mir auch nicht so wirklich.

 

Intschu-tschuna bleibt am Leben und auch weiterhin Häuptling der Apachen und Besitzer der Silberbüchse... *WHY?*

 

Unverständlich ist mir auch die Entscheidung des Intendanten, nächstes Jahr kein Karl-May-Stück aufzuführen, wenn ich solche Pressestimmen lese:

 

"Beim Vorverkaufsstart für den diesjährigen Theatersommer im Kreis Görlitz sind fast 3.800 Karten über die Tresen gegangen. Groß war die Nachfrage für Plätze der Winnetou-Aufführung auf der Waldbühne Jonsdorf. Knapp 2.400 Karten wurden gestern verkauft. Mit deutlichem Abstand folgen die anderen Sommertheaterstücke."

 

Post Scriptum: Meine Flenn-Gefahr bei Nscho-tschis Ableben hielt sich diesmal übrigens absolut in Grenzen. Entweder lag es an der Entfernung der Szenerie (ganz oben auf dem höchsten Punkt der Bühne), oder an einer gewissen Antipathie gegen die Darstellung des betreffenden Charakters...

 

 

 

...aber der Blattschuss mit Pfeil und Bogen, der Santer von den Beinen und vom Hügel holte, war allererste Sahne! ;o))

 


 

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